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"Zeit, die Elbe zu schwimmen"

"Zeit, die Elbe zu schwimmen"

Bodensee Drei-Länder-Queerung

Bericht zu meiner Bodenseequeerung: Mein Zeitfenster für die Drei-Länder-Querung am Bodensee (Deutschland - Schweiz - Österreich) hat an dem Freitag den 21.07 begonnen. Das war mein zweiter Zeit-Slot, da der erste wegen schlechten Wetters verschoben werden musste. Ich reiste nach Lindau, kam gegen 23 Uhr an und es stürmte und gewitterte wie verrückt. Ich legte mich in mein Apartment und an Ruhe war natürlich nicht zu denken. Ich musste am kommenden Tag um 6 Uhr am Ableger stehen. Das bedeutete für mich: 5 Stunden Schlaf im besten Fall. Für den kommenden Tag hatten wir ein Zeitfenster von 16 Stunden identifiziert, in denen es nicht gewittern sollte. Nicht gerade die besten Voraussetzungen um zu starten. Zwar hatte ich nicht vor, so lange zu schwimmen, aber sinkende Wassertemperaturen, starke Winde und natürliche der psychische Aspekt, nicht zu wissen, ob man nicht kurz vor Ende wegen Gewitter aus dem Wasser gezogen wird, beschäftigten mich. Im Endeffekt hatte ich eine Stunde Schlaf.

 

Es prasselte gegen mein Fenster und der Donner schepperte. Meine Gedanken drehten sich nur darum, ob ich überhaupt mein Zeitfenster nutzen könnte. Als ich kurz vor 5 Uhr die Augen öffnet, hatte das Gewitter sich gelegt. Zwar war es noch mächtig windig, aber immerhin blitzte es nicht mehr. Schnell also 4 Eier und ein paar Nutella-Brötchen gefrühstückt und ab an den Anleger, wo schon das Begleitboot, das Organisatorenteam und der Skipper warteten. Am Rand des Bodensees gibt es überall Signalleuchten, die anzeigen, ob es gestattet ist, den Bodensee zu befahren. Zu meinem Start wurde von den Lichtern „Aktive Sturmwarnung, Befahren verboten“ ausgestrahlt, aber wir haben gehofft, dass einfach das System noch nicht umgeschaltet hatte. Es war zwar windig, aber von Sturm konnte keine Rede mehr sein. Raus ging es also an den südlichsten Zipfel von Lindau.

 

Am so genannten Pulverturm war, nach einer kurzen Belehrung über die Gefahren des Langstreckenschwimmens, der Start. Von allen Seiten kamen die so genannten „Goschn-Wellen“. Wir würden sie in Sachsen wahrscheinlich „Nüschl-Wellen“ nennen. Denn anders als im Meer sind diese Wellen schwer zu antizipieren und gerade wenn man Luft holen will, bekommt man so eine Welle in die „Goschn“. Bei 50 cm Wellen und Gegenwind bin ich also gestartet. Mit Motorboot und Kajak als Begleitung Richtung Rorschach in der Schweiz und dann nach Bregenz (Österreich). Stetig warf ich geduldig einen Arm um den anderen vor mich und versuchte, mich relativ ruhig voran zu arbeiten. Nach ca. einer Stunde wurden die Wellen weniger und so langsam kam sogar die Sonne raus. So verging Stunde um Stunde und alle 30 Minuten hat mein Kanute mir Trinken oder Essen ins Wasser geworfen. Da ich ohne Neopren gestartet bin, mich zum warm halten stetig bewegen wollte und kein Boot berühren durfte, habe ich meine Nahrung auf dem Rücken schwimmend eingenommen. Kurz vor der Ankunft in der Schweiz konnte man am Grund herrlichen Sand mit Muscheln erkennen und man kam sich vor, als wäre man in irgendeinem tropischen Ferienparadies. Doch auch der Körper war langsam zu spüren. Ich war mittlerweile fünf Stunden geschwommen und die Schultern, der Kopf und die Langeweile machten sich bemerkbar. Mir wurde bewusst: ich musste noch mehr als die doppelte Strecke zurücklegen und das hat zu einem ersten, kurzen Stimmungstief geführt. Als ich in der Schweiz kurz an Land gegangen bin, hatte ich mächtig Hunger, da die Bananen und die eingelegten Pfirsiche jede halbe Stunde scheinbar nicht gereicht hatten, mich satt zu machen. Gierig schlang ich 2 Nutella-Toasts herunter und schon ging es wieder ins Wasser. Auf nach Österreich. Nach 7 1/2 Stunden sagte mir der Skipper: in 3-4 Km kommt der neue Rhein-Zufluss. Eine der größten Hürden bei der Drei-Länder-Querung. Da ich meine Geschwindigkeit kannte, war für mich klar: ungefähr in einer Stunde müsste ich dort sein. Eine Stunde ging vorbei, die zweite Stunde ging vorbei und ich konnte diesen verdammte Zufluss noch nicht mal sehen. Gegenströmung hieß der Übeltäter. Ich hatte zwei Stunden geackert und war kaum voran gekommen! Das war der Moment, wo es mich mental ein zweites Mal runter gezogen hatte. Ich wusste nicht, für wie lang diese Gegenströmung andauern würde und inwieweit meine Kraftreserven ausreichen würden. Doch Gott sei Dank kam dann der Rhein-Zufluss in Sicht und mein Skipper sagte mir, die schwierigste Stelle in Sachen Gegenströmung sei vorbei. Jetzt komme die Crux in Sachen Temperatur. Wie Recht er hatte. Das Wasser färbte sich gräulich und die Temperatur fiel von 22°C auf 11°C. Und das nach 10 Stunden kraulen und ohne schützenden Neoprenanzug. Mein Herz fing an zu rasen, der Körper wollte auf Schnappatmung umstellen und die Haut fing an zu brennen. Vom Begleitboot sah ich mein Team motivierende Worte grölen und ich biss die Zähne zusammen, um die 200-300 Meter schnell hinter mich zu bringen. Was für eine Wohltat war es, wieder ins „warme“, klare Bodenseewasser zu schwimmen.

 

Jetzt waren es nur noch 6 km bis nach Rorschach und so langsam machte sich Siegerstimmung breit. Doch auch etwas Angst war zu spüren, denn am Horizont waren bereits die ersten Gewitterwolken zu sehen. Nach 12 Stunden und 59 Minuten stand ich schlussendlich trockenen Fußes am Strand von Bregenz und war sichtlich fertig mit der Welt. Ein Freund wartete mit Champagner auf mich und wir fielen uns jubelnd in die Arme. Vom Begleitboot grölte es natürlich auch wie verrückt und selbst einige Passanten am Strand verfielen in den Jubel. Nun ging es zurück aufs Begleitboot und in Höchstgeschwindigkeit zurück nach Lindau. Eigentlich wollten wir noch schick Essen gehen, um den Triumph zu feiern, aber da ich kurz im Stehen eingeschlafen war, haben wir uns doch für die Unterkunft und eine gute, erholsame Mütze Schlaf entschieden. Ich darf mich jetzt zu dem kleinen Grüppchen von 10 Menschen zählen, die diese Querung geschafft haben. Es war ein tolles, erschöpfendes Erlebnis und ich freue mich bereits auf die nächste Herausforderung. In 10 Tagen den deutschen Teil der Elbe zu schwimmen. Von Tschechien, über Dresden nach Hamburg. Quasi 10 Bodensee Drei-Länder-Querungen am Stück. (Bilder: von Bodenseequerung)

Leute tun verrückte Dinge und ich bin einer von ihnen.

Seit zwei Jahren schwimme ich lange Strecken. Mit einigen 24h-Schwimmen fing es an. Vergangenes Jahr durchschwamm ich dann die Straße von Gibraltar. Dieses Jahr habe ich die Drei-Länder-Querung des Bodensees vor mir - und die Elbe von Bad Schandau hinter Dresden bis Hamburg.

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© 2017 von Joseph Heß

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